Anleitung, die Deutschen zu lieben

Kapitel I (2 Teil)

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Am Vorabend der Vereinigung reiste ich ins Gebiet jenseits von Oder und Neiße, hinter der Grenze, welche die Alliierten erfanden, als man den neuen Revanchismus der Deutschen fürchtete. Hatten diese vor, sich mit Ostdeutschland zu begnügen, oder wollten sie die an Polen und die Sowjetunion abgetretenen Ostgebiete zurückfordern? Die Polen in der Nähe der Grenze waren bereit, Deutsche zu werden, den schwachen Zloty ohne jegliche nationalistische Gewissensbisse für die starke Deutsche Mark preiszugeben. Sie stammten aus den an die UdSSR abgetretenen Ostgebieten und waren nach dem Krieg zwangsweise »etwas weiter Richtung Westen« umgesiedelt worden.

Im Dezember 1970 fiel Willy Brandt vor dem Denkmal der Opfer des Warschauer Ghettos auf die Knie (was 60 Prozent seiner Landsleute mißbilligten), aber die Polen mögen Helmut Kohl lieber, der laut Umfragen populärer ist als Gorbatschow und ebenso populär wie Walesa zu jener Zeit, als der Held von Solidarność höchstes Wohlwollen genoß.

Nur zwei Prozent der Polen erklären, die Deutschen »sehr zu lieben«, was diese mit etwas großzügigeren drei Prozent erwidern. Für einen von Fünf Polen »ist die Vergangenheit noch sehr wichtig«, »ziemlich wichtig« für weitere zwei von fünf, und trotzdem würden 25 Prozent sofort nach Deutschland ziehen, »wenn es nur möglich wäre«. »Wir sollten wirklich vergessen«, erklärt der Warschauer Manager Slavomir Osczeda. »vielleicht nicht richtig vergessen, es aber nicht übertreiben mit der Vaterlandsliebe.«

Die deutsche Seele sei der russischen näher als der amerikanischen, schreibt Klaus Liedtke. In der Phantasie der Deutschen spielen die Russen schon immer eine besondere Rolle. Und umgekehrt auch. Das ist das Ergebnis einer jahrhundertealten komplizierten und intensiven Beziehung, die im 3. Jahrhundert nach Christus begann. Bereits im 4. Jahrhundert wurde von »häufigen Kriegen« zwischen Russen und »Pruzzen«, also Preußen, berichtet. Die Deutschordensritter leiteten die Christianisierung Rußlands mit dem Schwert ein. Iwan der Schreckliche lockte die geschätzten deutschen Handwerker, seine Gefangenen aber ließ er köpfen oder mit bloßen Händen gegen Bären kämpfen. Martha, die Tochter eines deutschen Bauern, der so arm war, daß er nicht einmal einen Namen besaß, wurde erst Hausmädchen von Ernst Glück, dem Pastor in Marienburg (Aluksne) im heutigen Lettland, der als erster die Bibel ins Lettische übersetzte, dann heiratete sie den Schweden Johannes, gelangte als Kriegsbeute nach Rußland, heiratete einen Koch, zog schließlich die Aufmerksamkeit Peters des Großen auf sich und wurde die große Katharina, die Russisch zeitlebens mit deutschem Akzent sprach.

Der Deutsche Ulrich von Holstein-Gottorf wurde Peter III.; er war ein großer Bewunderer des Alten Fritz. Die Rote Befreiungsarmee ist fast ein halbes Jahrhundert lang als Besatzungsmacht in der einstigen Deutschen Demokratischen Republik geblieben; als einziges Heer in der Geschichte hat sie durch die Wiedervereinigung der beiden Deutschlands einen Konflikt verloren, ohne daß ein Schuß gefallen wäre.

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