Anleitung, die Deutschen zu lieben

Kapitel I (3 teil)

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Der Deutsche ist ein Prozentsatz

Die Deutschen sind maßlose Individualisten, mehr noch als die Italiener, aber sie wissen es nicht und wollen es auch nicht wissen, und wer es argwöhnt, hat Schuldgefühle. Aus Angst, sich dessen bewußt zu werden, versuchen sie immer, sei es in der Schule, im Büro oder in der Freizeit, in Gesellschaft zu sein, in einer Gruppe und für eine solche zu leben. Lieber fährt man mit einer Reisegesellschaft weg als allein, weil es wichtig ist, mit Leuten zusammen zu sein, die genauso denken, sich anziehen und genießen wie man selbst.

Was ein Franzose oder Italiener, der auf seine Schrullen und Eigenheiten bedacht ist, fast als Beleidigung empfindet, macht den Deutschen verlegen wie eine Sünde. Um nicht der Versuchung zu erliegen und dem tief verwurzelten Individualismus anheimzufallen, beteuern sie, stets den Geschmack der Mehrheit zu haben. Es ist auch ein politisches Problem: Die Opposition hat schon allein deswegen unrecht, weil sie schwächer ist.

Das Problem ist nur, in Erfahrung zu bringen, was diese mutmaßliche Mehrheit eigentlich will. Für die Zweifler hat das Innenministerium das Statistische Bundesamt geschaffen, das pünktlich jeden Dienstag um 11 Uhr jene Zahlen bekanntgibt, anhand deren die Deutschen orientiert und beschwichtigt werden können; es ist eine Art meteorologisches Bulletin der Seele, auf das ich immer furchtbar neugierig bin. Zahlen, Diagramme und Tabellen füllen pro Jahr über 1200 Seiten: Wie viele Deutsche gestreifte oder gepunktete Krawatten lieben, wie viele ihrer Frau in der Küche helfen und wie viele sie betrügen und umgekehrt. Wie oft sie in die Kirche gehen oder ihr Auto waschen. Wird lieber Bier oder Wein getrunken? Lieber Rot­wein, Weißwein oder Rosé? Die Phantasie der Statistiker ist grenzenlos, unaufhaltsam und aufdringlich. Sie ist ein Segen für ausländische Journalisten, die jederzeit in Erfahrung bringen können, wie hoch die Lagerbestände an Benzinkanistern in der Bundesrepublik sind, wie arg der Rhein verschmutzt ist oder wieviel Prozent eines bestimmten Autotyps schadhaft waren.

Man entdeckt, daß Friseuse der beliebteste Beruf ist, daß 36 Prozent der Badeanzüge aus Italien kommen, aber 43 Prozent der Badehosen Made in China sind. Man läßt sich nicht im verflixten siebenten, sondern im vierten Jahr scheiden, es werden 2,8 Milliarden Hektoliter Bier getrunken, und ich weigere mich, auszurechnen, wie viele Liter das sind, wahrscheinlich ungefähr so viel, wie der Tegernsee Wasser hat. Es werden 6 000 Tonnen Chips verschlungen, 1,3 von 100 Deutschen haben ihren Opa zu Hause, einer von 333 ist Polizist und verbraucht pro Tag 1,3 g Zahnpasta. Schließlich gibt es auf 24 897 Einwohner einen Statistikexperten, ein Beruf mit Zukunftsperspektive.

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